ZUR GESPANNPARADE aufgefahren sind die „Büffel“ vor der Gaststätte Hanfgarten. Stolz sind die Besitzer auf ihre dreirädrigen Vehikel. Bilder: Andreas Arnold


Für junge Leute sind alte Motorräder ein aufregendes Hobby

„Büffelpiloten" brummen auf drei Rädern daher

Manchmal bleibt eines der Gespannfahrzeuge auf der Strecke


Von unserem Redakteur

Ingo Lang


Hardt-Hanfgarten - Seinen Augen traute so mancher oberbergische Autofahrer nicht, als er plötzlich von alten Militärmotorrädern mit Beiwagen und anderen abenteuerlichen Gespannen überholt wurde. Doch das, waren weder Visionen, noch handelte es sich um Dreharbeiten für einen Film, sondern schlicht um eine Sternfahrt jener Vehikel, die zur Seltenheit in unserem Straßenbild geworden sind: die schweren Brummer mit „Boot". Ziel der Gespannpiloten und ihrer Beifahrer war die Gaststätte Hanfgarten, die sie sich als Treffpunkt auserkoren hatten. Denn Wirt Diethard Tröndle ist selbst Gespannfahrer. Was lag also näher, als das „Büffeltreffen" dort zu veranstalten.

Die vor der Kneipe in Reih und Glied aufgestellten „Büffel" ließen die Augen der Fachleute glänzen und den Laien beträchtlich staunen: Neben einer Harley Davidson Elektra Glide, die außer dem „Boot" auch noch einen kleinen Anhänger hat, stand da ein dreirädriges „Servicar" der gleichen Marke aus dem Jahr 1939.

Ein Jahr mehr auf dem Buckel hatte eine Zündapp KS 600, eine alte Dame im Vergleich zu der auch schon sehr betagten R 26 und R 50 von den Bayrischen Motoren Werken. Der älteste „Büffel", eine 750er Harley Davidson von 1929, die der Müllenbacher Peter Kaesmacher fährt, hatte jedoch die Anreise nicht überstanden. Mit einem Defekt war sie liegengeblieben und mußte im Kleinlaster zum Treffpunkt transportiert werden.

Doch dererlei Pannen bringen vor allem die Besitzer von Veteranen nicht aus der Ruhe. „Manchmal brauchen wir für eine Strecke von 150 Kilometern zehn bis zwölf Stunden", erklärte Kaesmacher. „Da kann es schon einmal passieren, daß die Zylinderkopfdichtung fliegengeht oder die Zündspule nicht mehr mitmacht." Dann werde halt „geschraubt". Und ist der Schaden am Ort der Panne nicht zu beheben, wird die Maschine abgeschleppt. Für dererlei Unternehmen habe sein Kumpel Kaesmacher eigens eine Abschleppstange konstruiert, die vor zwei Jahren beim Büffeltreffen ihre Bewährungsprobe bestanden, habe, erzählte Botho Nipkow.


Einmal im Monat


In einem Klub oder Verein sind sie nicht zusammengeschlossen, die 13 Büffelreiter und ihre Begleiter, aber einmal im Monat treffen sie sich in Lüdenscheid, weil die meisten von ihnen dort wohnen. Die Harley-Piloten unter ihnen sind zwar dem Harley-Davidson-Club Deutschland angeschlossen, aber das hat nichts mit ihrer Gespannrunde zu tun.

Im Dezember schwingen sie sich nun schon seit fünf Jahren in den Sattel, um an dem vom Motorradverein Mittelrhein veranstalten Büffeltreffen teilzunehmen. Diesmal war das Ziel der Sternfahrt das Örtchen Melsdorf bei Rengsdorf im Westerwald. Von dort aus steuerte „der harte Kern" dann die Gaststätte Hanfgarten an.

Frauen sind aus der Runde der Büffelreiter zwar nicht ausgeschlossen, aber dennoch eine Seltenheit. Männerkameradschaft prägt das Klima der Treffen. Da werden derbe Witze gerissen, und wo es bei den Maschinen erforderlich ist, auch hart zugepackt. Die meisten Wartungs- und Reparaturarbeiten fuhren die Gespanneigner selbst durch. Zum Beispiel hat die Harley des Elektrikers Edgar Hülle aus Lüdenscheid, hinter der er einen kleinen Nachläufer als Kofferraum hinterherzieht, „noch nie eine Werkstatt von innen gesehen", wie Nipkow versicherte. Zumindest nicht, seit Hülle sie fahre und pflege. Deshalb hielten die Unkosten für das Hobby auf drei Rädern sich auch in Grenzen.

Natürlich müsse für das Gespann zunächst einmal -je nach Maschine- mehr oder weniger tief in die Tasche gegriffen werden. Ein fabrikneues Harley-Gespann koste zum Beispiel heute rund 32000 Mark, das von der DDR-Marke MZ sei schon für zirka 5000 Mark zu haben. Teuer sei daneben auch noch die Versicherung der Brummer, in der großen Klasse mit über 50 PS kämen da jährlich bei Zahlung in der 50-Prozent-Einstufung immer noch mit der Steuer rund 1000 Mark zusammen. Ein Klacks seien dagegen die Reparaturen. Ersatzteile, auch für die Oldtimer, fände man immer noch.


Einer weiß immer weiter


„Es gibt immer einen, der einen kennt, der weiß, wo es noch das eine oder andere Teil gibt", erklärte Nipkow. Um an diese so kostbaren Einzelstücke heranzukommen, scheuen die Altbüffeleigner auch keine Fahrten ins benachbarte Holland oder nach Ostberlin. „Da gibt es noch mehr alte Maschinen als bei uns", weiß Kaesmacher.

Rein äußerlich glaubt der unbefangene Betrachter, der unvermittelt in den Kreis der Gespannpiloten gerät, er wohne einem Treffen einiger außergalaktischer Wesen mit Relikten aus dem Wilden Westen und alten Frontkämpfern vom Atlantikwall bei. Denn die Lederkluft der Büffeldompteure schwankt zwischen melancholischer Nostalgie und martialischer Archaik. Ob nun Helm oder Fliegerhaube mit Fuchsschwanz, ob Lederkombi mit Harley-Adler oder Staubmantel ä la „Spiel mir das Lied vom Tod", erlaubt ist alles, was schützt und wärmt.







Sind Idealisten


Unter der rauhen Schale verbirgt sich jedoch ein durchaus weicher Kern, Rocker im Sinne bürgerlicher Vorurteile sind das keinesfalls. Im Gegenteil. Die Büffeleigner sind Idealisten, die für ihr Hobby leben und am liebsten unter sich sind. „Deshalb wurde ja auch das traditionelle Elefantentreffen auf dem Nürburgring eingestellt. Da kamen zum Schluß Motorradfahrer hin, mit denen wir nichts zu tun haben und nichts zu tun haben wollen", erläuterte Nipkow. Die kleine Kleiderschau am Rande gehört für sie mit dazu, ist Aushängeschild einer Individualität, aber keiner Aggressivität.



EBENSO ABENTEUERLICH im Aussehen wie ihre Maschinen präsentieren sich die meisten Fahrer und Beifahrer der schweren Gespanne bei ihren „Ausritten". Bild: Andreas Arnold




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+++wena 2007+++ Donnerstag, 16. Dezember 1982 Bergisches Land